Interkulturelles/ interreligiöses Friedensprojekt des Mozartchores Augsburg und der schwäbischen Chorgemeinschaft Ichenhausen 2017 in Augsburg und Ichenhausen: The Armed Man, a Mass for Peace von Karl Jenkins in einer erweiterten Fassung

Der Mozartchor Augsburg möchte in der Friedensstadt Augsburg einen kulturellen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen leisten. Dabei soll auch an die Geschehnisse des 1. Weltkriegs vor genau 100 Jahren erinnert werden.
Aus diesem Anlass soll im April/ Mai 2017 die Friedensmesse des walisischen Komponisten Karl Jenkins „The Armed Man“ aufgeführt werden.
Jenkins möchte einerseits sein Werk als Antikriegsstück generell, andererseits als Aufruf zum interreligiösen Dialog zwischen Muslimen, Juden und Christen verstanden wissen. Er verknüpft dabei die lateinische Messliturgie mit Texten aus dem Alten Testament, aus der indischen Mahabharata, dem Gedicht eines Hiroshima-Überlebenden oder aber dem muslimischen Gebetsruf (Adhaan). Die Komposition besticht sowohl durch ihre realistische Darstellung des Kriegsgeschehens als auch durch die berührende musikalische Umsetzung der Friedensthematik.

Der Mozartchor führt dieses zeitgenössische Werk in einer erweiterten Fassung auf, die Bezug auf die Friedensstadt Augsburg und ihre lokalen Besonderheiten nimmt:

  1. Zum einen wird der jüdische Glaube mehr in den Vordergrund gestellt. Das Judentum soll nun (ebenso wie der Islam) solistisch gewürdigt werden durch einen Beitrag des in Augsburg lebenden israelischen Sängers und Kantors Yoed Sorek. Augsburg besitzt eine große Jugendstilsynagoge, in der sich die jüdische Gemeinde mittlerweile wieder zahlreicher Mitglieder erfreut und ihren Beitrag zur Stadtgesellschaft leistet.
  2. Zum anderen soll das Christentum als dritte der drei monotheistischen Religionen solistisch repräsentiert werden. Dazu dient der Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“, der gleichzeitig eine Reminiszenz an das Reformationsjubiläum 2017 ist, aber auch an den Missbrauch des Liedes unter anderem im 1. Weltkrieg erinnert. Der älteste erhaltene Druck dieses auch als „Marseillaise der Bauernkriege“ bezeichneten Kirchenliedes entstand in Augsburg, und zwar im Gesangsbuch „Form und Ordnung geistlicher Gesang und Psalmen“ aus dem Jahre 1529. Herausgeber dieses Buches war der Prediger Jakob Dachser, der im selben Jahr 1529 auch Pfarrhelfer an der Augsburger Ulrichskirche wurde! Diese Sammlung war das erste evangelische Gesangsbuch Augsburgs überhaupt. In unserer Konzeption soll der martialische Charakter von „Ein feste Burg ist unser Gott“ durch eine besondere Interpretation gebrochen werden: So intoniert Abt. em. Emmeram Kränkl OSB das Lied zunächst schlicht auf der Bratsche, gefolgt vom Gesang einer evangelischen Pfarrerin. In Strophe zwei und drei gesellt sich der lyrische Klang eines Kinderchores hinzu, um in der letzten Strophe die gesamten Konzertbesucher mit einstimmen zu lassen.
  3. Der Schweizer Schauspieler Fred Strittmatter wird nach den drei Einzelbeiträgen der Religionen – quasi als Quintessenz – die Ringparabel über die Gleichwertigkeit der drei monotheistischen Weltreligionen aus „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing rezitieren. Im Verlauf des Abends trägt Strittmatter zudem den Anti-Kriegs-Schulaufsatz des Augsburger Dramatikers Bert Brecht über das Horaz-Zitat: „Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben“, vor. Dieses Zitat verwendet auch Jenkins in seiner Messe.
  4. Schließlich soll noch an ein Ereignis des 1. Weltkriegs erinnert werden, das sich in den letzten Apriltagen des Kriegsjahres 1917 nahe der Ortschaft Craonne in Frankreich zugetragen hat und sich am Tag unseres Konzerts zum 100. Mal jährt. Nach einer erfolglosen Offensive gegen die deutschen Stellungen kam es zu einer Meuterei französischer Soldaten. In deren Folge sangen sie damals das Chanson de Craonne, das in der erweiterten Fassung unserer Messe durch die Männerstimmen des Chores erklingen wird. Darin heißt es wörtlich:

„Wir einfachen Soldaten werden in den Streik treten. Jetzt seid ihr an der Reihe, ihr großen Herren, da auf die Hochebene von Craonne zu steigen, und wenn ihr den Krieg wollt, dann bezahlt mit eurer Haut.“

Ergänzt werden Musik und Text in unserer Konzeption durch eine unterstützende Lichtregie. Außerdem werden der Chor und die Solisten/Schauspieler teilweise szenisch agieren, um die eindringliche Wirkung des Werks zu erhöhen. Dadurch entsteht eine für den Zuhörer emotional aufwühlende, aber auch nachdenklich machende Verbindung.

Um die interkulturelle Zusammenarbeit und das Verständnis füreinander auch praktisch zu betonen, werden Mitglieder des türkischen Chors Augsburg „Sultan-i yegah“ zusammen mit dem Mozartchor im Konzert singen. Schulchöre aus Augsburg und Günzburg ergänzen unser Ensemble.

Das Projekt hat sowohl durch seine inhaltliche Reichweite und Zeitaktualität als auch durch mehrere Aufführungsorte in Bayerisch-Schwaben überregionale Bedeutung. Augsburg ist nicht nur als Stadt der Confessio Augustana, des Augsburger Religionsfriedens, und des Augsburger Friedensfestes, sondern auch als Stadt mit einem der höchsten Anteile von Migranten an der Bevölkerung (ca. 45%) prädestiniert für dieses Projekt. Ein zweites Konzert erklingt gemeinsam mit der Schwäbischen Chorgemeinschaft am 6. Mai 2017 um 20 Uhr in der Stadtpfarrkirche Ichenhausen. Auch Ichenhausen verfügt durch seine bekannte historische Synagoge und seine große türkische Gemeinde über eine ähnliche Bedeutung.

Der Verein Forum interkulturelles Leben und Lernen „FiLL“ aus Augsburg sorgt als unser Partner für eine breite gesellschaftliche Basis und eine entsprechend große öffentliche Wahrnehmung. FiLL engagiert sich sehr in der Flüchtlingshilfe und will deshalb zu beiden Konzerten Asylbewerber einladen. An beiden Aufführungsorten ist zudem geplant, ausgewählte Schulklassen durch ihre Lehrer auf diese Themen inhaltlich vorzubereiten und ihnen danach den kostenlosen Besuch der Konzerte zu ermöglichen.

Schirmherr der Augsburger Aufführung ist Herr Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl. Eine Patenschaft für beide Konzerte hat zudem Herr Professor Dr. Hans Maier übernommen, ehemaliger bayerischer Kultusminister und langjähriger Vorsitzender des Zentralkomitees deutscher Katholiken sowie Ehrenbürger der Stadt Ichenhausen.

Die Uraufführung dieser „Augsburger Fassung“ der „Mass for Peace“ am 30. April 2017 ist also ein breit angelegtes Vorhaben, das die Menschen auf mehreren Ebenen direkt emotional für die Probleme des interkulturellen Zusammenlebens und der möglichen Folgen seines Scheiterns sensibilisieren möchte. Ziel des Mozartchores ist, dadurch ein friedliches und verständnisvolles Miteinander im Kleinen und im Großen zu fördern.

 

Daniel Böhm, im März 2017

Dirigent und künstlerischer Leiter des Mozartchores

 

Daniel Böhm

Sänger · Dirigent · Musikvermittler

Daniel Böhm erhielt seine musikalische Ausbildung bei den Augsburger Domsingknaben und am musischen Gymnasium bei St. Stephan. Bereits mit 15 Jahren wurde er als Gaststudent im Fach Oboe am Leopold-Mozart-Konservatorium Augsburg aufgenommen. Nach dem Abitur begann er dort sein Gesangsstudium, bei Kammersängerin Dorothea Christ, Martin Gantner (Staatsoper München) und Christian Schmidt-Timmermann („Die Singphoniker“) an der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg. Ergänzende künstlerische Impulse erhielt er in Meisterkursen bei Brigitte Fassbaender, Sena Jurinac, Eike Wilm Schulte und Michael Radulescu.

Als Bariton ist Daniel Böhm ein gefragter Konzert- und Oratoriensänger im süddeutschen Raum. Liederabende, Opernpartien (u. a. als Kecal in Smetanas „Verkaufter Braut“ im Festspielhaus Füssen) und Auftritte in renommierten Konzertreihen prägen sein künstlerisches Profil. 2004 sang er den Solopart in der deutschen Erstaufführung der „Misa Tango“ von Luis Bacalov. Prägend war zudem seine Mitwirkung im World Youth Choir – mit Tourneen nach Asien und Europa und der Zusammenarbeit mit namhaften Dirigenten wie Frieder Bernius, Colin Davis, Maria Guinand oder Leopold Hager.

Als Chorleiter prägt Daniel Böhm seit vielen Jahren das vokale Musikleben in Bayerisch-Schwaben. Er leitet derzeit mehrere Ensembles, darunter auch Kinderchöre, die traditionsreiche Liedertafel Babenhausen von 1843, die Schwäbische Chorgemeinschaft sowie den renommierten Mozartchor Augsburg, dem er seit 2009 als künstlerischer Leiter vorsteht.

Mit seinen Ensembles hat Daniel Böhm nicht nur klanglich Maßstäbe gesetzt, sondern auch eine eigenständige Konzertkultur entwickelt: Spannend kuratierte Programme, dramaturgische Bögen mit thematischem Tiefgang und persönliche Moderationen prägen die Auftritte ebenso wie seine Fähigkeit, das Publikum emotional mitzunehmen. Ausdruck, Bühnenpräsenz und kommunikative Kraft sind dabei zentrale Elemente – jedes Konzert wird so zu einem Erlebnis.

In der Probenarbeit zeichnet er sich durch künstlerische Präzision, stimmliche Expertise und ein hohes Maß an pädagogischem Gespür aus. Mit Humor, Energie und anschaulichen Bildern vermittelt er musikalische Inhalte so lebendig, dass jede Probe zu einem intensiven Lern- und Gemeinschaftserlebnis wird – fordernd, fördernd und immer getragen von der Leidenschaft für Musik.

Seine Arbeit wurde u. a. mit CD-Einspielungen (etwa von Otto Jochums Oratorium „Der Totentanz“) und der Zusammenarbeit mit Orchestern wie der Bayerischen Kammerphilharmonie, der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg, dem Ensemble L’Estro Armonico oder dem Augsburger Mozartorchester dokumentiert.

Daniel Böhm ist außerdem Präsident der Brüder Jochum Gesellschaft, die sich der Pflege des künstlerischen Erbes von Otto und Eugen Jochum widmet, und unterrichtet an der Musikschule der Stadt Ulm.