Augsburger Allgemeine vom 09.05.2017

Ein Signal gegen sinnlosen Krieg

Die Schwäbische Chorgemeinschaft zeigt, wie eine politische Botschaft musikalisch umgesetzt werden kann 

Ein beeindruckendes Konzert der Schwäbischen Chorgemeinschaft mit weiteren Mitwirkenden erlebten die Besucher in der Ichenhauser Pfarrkirche. Foto: Adlassnig

Die Friedensmesse von Karl Jenkins, in der „Augsburger Fassung“ von Daniel Böhm, wurde zum tief ergreifenden Erlebnis in der Ichenhauser Pfarrkirche. Böhm, seine Chöre und Instrumentalisten zeigten, wie eine politische Botschaft in Musik umgesetzt werden kann. Interreligiöser Dialog statt Abgrenzung und Anfeindung, Toleranz als Grundlage für Frieden.

Dafür gab die Schwäbische Chorgemeinschaft alles. Sie kooperierte mit dem Mozartchor Augsburg, dem Sultan i yegah Chor Augsburg, dem internationalen Mozartorchester Augsburg und zahlreichen Solisten, um eine Friedensbotschaft auszusenden, die jene von Jenkins noch überbot. Denn Daniel Böhm fügte in das kompositorische Werk des Briten weitere Elemente ein. Während der von Emin Ülker gesungene Aufruf des Muezzin zum Gebet Teil des ursprünglichen Werkes ist, stellte das Luther-Lied „Ein feste Burg“, gesungen von der neuen evangelischen Pfarrerin von Ichenhausen, Christa Auernhammer, auf der Bratsche begleitet vom ehemaligen Abt von St. Stephan, Emmeram Känkl, die erste Beifügung dar. Die schlichte Form des Vortrags sollte das innige Kirchenlied von seinem immer wieder erlittenen Missbrauch als Kampflied befreien. Mit dem Kaddish in einer Bearbeitung von Maurice Ravel, den der jüdische Kantor Nikola David vortrug, erhielt die dritte Weltreligion eine Stimme in der Aufführung. Die symbolische Zusammenführung erfolgte dann durch den Schauspieler Fred Strittmatter mit Lessings Ringparabel.

Doch damit nicht genug: Mit dem Brechtaufsatz zum fragwürdigen Horazzitat über den ehrenvollen Tod fürs Vaterland und dem Chanson de Craonne, einem Lied meuternder Soldaten, die genug hatten vom sinnlosen Krieg, vervollständigte Böhm mit eindrucksvollen Beispielen seine Version der Antikriegs- und Toleranzbotschaft. Die hatte Karl Jenkins als Auftragswerk zur Jahrtausendwende den Opfern des Balkankrieges gewidmet. Inzwischen brennt die Welt an vielen neuen Stellen. Die Musiker setzten gegen diese Entwicklung ein deutliches Signal. Jenkins komponierte sein Werk mit expressiver Dramaturgie. Er entwirft ein Kriegsszenario, beginnend mit marschierenden Waffenträgern, die der Messe ihren Namen gegeben haben „The armed man“. Eingebettet in eine katholische Messliturgie, baut er den chronologischen Ablauf eines Krieges ein: Soldaten, die vor der Schlacht beten, der Angriffssturm, die Vernichtung und die Qualen der Bevölkerung, das Leid und die Trauer um die Toten und schließlich das Ruhen der Waffen und die Hoffnung auf Frieden. Um seine Botschaft wirken zu lassen, bedient er sich bei der Renaissancemusik ebenso wie bei Gregorianischen Chorälen.

Die von Böhm dirigierten Chöre und Orchestermusiker, die in der Pfarrkirche zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen, setzten die kompositorischen Absichten punktgenau um: Eine raffinierte Choreografie und Lichtgestaltung unterstrich die Botschaft und ließ sie zum beängstigend gruseligen Kriegszenario mit marschierenden, Leid und Tod bringenden Soldaten, zur Mitleid fordernden Erschütterung und Trauer, zu hoffnungsvoller Freude und Friedenssehnsucht werden.

Unterstützt wurden die Ensembles durch meisterhafte Solisten, zu denen auch die Sopranistin Isabell Münsch gehörte. Sie verstand es, dem Grauen des Krieges und der Trauer nicht nur Gehör sondern auch einen glaubwürdigen Gestus zu geben. Die junge Cellistin Deniz Ayse Birdal ließ ihr Instrument Trost spenden, Organistin Anne Liebe wusste ihr Instrument auch mit leisesten Tönen zu inszenieren. Chorleiter Daniel Böhm verwandelte sich im Chanson de Craonne zum meuternden Soldaten und überzeugte im Duett mit Isabell Münsch noch einmal als Sänger des abschließenden Friedensliedes „Better is peace“, übersetzt von der Krumbacherin Hedwig Lachmann. Nach knapp zwei Stunden voller musikalischer und emotionaler Ergriffenheit brach in der voll besetzten Kirche ein wahrer Beifallssturm über die Künstler herein, der etwa zehn Minuten anhielt.

Von Gertrud Adlassnig

Augsburger Allgemeine, 09.05.2017 (Lokales Günzburg)